[Update vom 26.11.2013: Die Umstellung auf das SEPA-System hat die Rechenzentren von Sparda- und Netbank am 23.10.2013 dazu veranlasst, das Classic Banking nun doch endgültig abzuschalten, ohne einen barrierefreien Ersatz zu schaffen. Stattdessen sollen blinde Anwender eine zugängliche Windows-Online-Banking-App nutzen. Dies ist natürlich eine völlig unzulängliche Forderung, da a) nicht alle Blinden willens oder bereit sind, unter Windows zu arbeiten und b) dies mal wieder eine Insellösung ist, die im Jahr 2013 schlicht inakzeptabel ist.

Daher gibt es jetzt eine Petition, die die Sparda-Banken auffordert, endlich eine barrierefreie Web-Lösung zu schaffen, an der alle teilhaben können. Ich möchte alle Leser dieses Blogs bitten, diese Petition mitzuzeichnen und sie auch weiterzuverbreiten, damit bei Übergabe der Unterschriften eine möglichst große Zahl präsentiert werden kann! Danke für eure Unterstützung!

Die Sparda-Bank Hamburg hat ein neues Online-Banking bekommen. Als ich mich dort heute morgen einloggen wollte, erlebte ich eine böse Überraschung.

Das erste, was ich bemerkte, war, dass der Login-Button auf der neuen Startseite des Online-Banking mir als „/portalstatic/spm/gfx/style/buttons/buttonFlach_Jetzt_einloggen.png [Schalter]“ vorgelesen wurde. Sämtliche Labels waren den Eingabefeldern aber weiterhin korrekt zugeordnet, und sogar das Audio-Captcha zur Eingabe des Sicherheitscodes war weiterhin vorhanden.

Nachdem ich das Login durchgeführt hatte, erwartete mich dann aber die richtig böse Überraschung. Die ganze Seite ist gepflastert mit grafischen Links, die sich so oder ähnlich anhören: „04_SB8K8xLLM9MSSzPy8xBz9CP0os3gDU3cvAw93IwP3EFMTA08LH0NzC19jAwNfI_2CbEdFAH8_-FQ! [Grafik Link]“. Wenn mir daraus jemand ableiten kann, was dieser spezielle Link tut, ist er/sie gut! 🙂

Ich schrieb daraufhin eine Mail an das Service-Team.

Nachdem ich dann auf Twitter mehrere Beobachtungen mitgeteilt hatte und auch unverholen mein Entsetzen über dieses Bremsen von 100% auf 0% Barrierefreiheit zum Ausdruck gebracht hatte, erhielt ich diesen Hinweis von der Sparda-Bank Nürnberg:

@MarcoZehe den barrierefreien Zugang zum SpardaNet-Banking gibt es bei Bedarf weiterhin. Kurze Mail an den Support dann gibt es den Link.

Es stellte sich heraus, dass die Mail an den Support nicht notwendig war. Auf der oben bereits erwähnten neuen Startseite des „modernen“ Sparda Banking gibt es folgenden Absatz: „Hier melden Sie sich für kurze Zeit noch im Classic Banking an.“ Es folgt ein grafisch nicht korrekt ausgezeichneter Link zum bisher gewohnten Banking.

Wer aufmerksam gelesen hat, dem ist das „für kurze Zeit“ in dem obigen Zitat nicht entgangen! Wie lang wird diese Zeit sein? Ein Monat? Sechs Monate? Ein Jahr? Eine Woche?

Und nun kommen wir zum eigentlichen Grund, warum dieser Relaunch des Online-Bankings ein technischer und PR-mäßiger Super-Gau ist.

Wir schreiben das Jahr 2010. Seit über 10 Jahren predigen Organisationen wie von der Aktion Mensch und viele engagierte und technisch sehr gute Webentwickler und -agenturen die Standards der Barrierefreiheit im Webdesign und der Webprogrammierung. Seit 1999 gibt es die WCAG 1.0 des W3C, die im Dezember 2008 durch die WCAG 2.0 ersetzt wurden. Die BITV 1.0 soll noch in diesem Jahr durch die BITV 2.0 ersetzt werden. Unternehmen wie Amazon.de haben es seit Jahren nicht mehr nötig, alternative Textversionen für ihre Angebote anzubieten.

Und hier kommt ein Relaunch, der eine 100%ige Rückwärtsrolle von einem vorbildlichen(!) Online-Banking hin zu einem tut, der für Anwender assistiver Technologien überhaupt nicht mehr bedienbar ist. Und ein Verweis auf eine Alternativfersion, die der vorbildlichen Vorversion entspricht, von der aber nicht klar ist, wie lange diese tatsächlich noch weiter existieren bzw. gepflegt werden wird.

Zum einen ist es schon immer betriebswirtschaftlich und organisatorisch sehr unklug gewesen, Alternativversionen für bestimmte Personenkreise zur Verfügung zu stellen. Die Erfahrung zeigt, dass diese alternativen Angebote gern bei Aktualisierungen vergessen werden. Nun ist diese Aktualisierung bei einem Onlinebanking-Portal vielleicht nicht ganz so häufig wie z. B. auf einer Seite wie Amazon oder irgendeinem Newsportal. Aber es bleibt das Gefühl, man könnte was verpassen. Den größten Gau in diesem Bereich leistet sich GoogleMail, wo nämlich die für Blinde konzipierte HTML-Version viele(!) der Features des Standard-Interface komplett nicht zur Verfügung stellt.

Zweitens ist es betriebswirtschaftlich schlicht unvernünftig, im Jahr 2010 die Barrierefreiheit nicht gleich ins Grundkonzept mit aufzunehmen. Die Gesellschaft wird immer älter, und die Barrierefreiheit betrifft nicht nur Blinde, sondern Menschen mit allen möglichen Einschränkungen, von denen viele mit zunehmendem Alter auftreten. Weiterhin kommen immer mehr Senioren ins Netz, die darauf angewiesen sind, dass sie mit ihren Möglichkeiten der Maus- und Tastaturbedienung die Angebote bedienen können. Und auch Pensionäre machen Online-Banking! Und ich wage mal die Behauptung, dass die Damen und Herren im Management, die diese Entscheidungen die Sparda-Bank betreffend zu fällen haben, entweder schon selbst in einem Alter sind, wo diese Aussagen bald zutreffen könnten, oder Eltern haben, bei denen sie diese Notwendigkeit beobachten können. Man muss keine Menschen mit Behinderungen kennen, man braucht sich nur in der eigenen Familie oder Verwandtschaft umschauen!

Eine Agentur mit entsprechendem Know-How hätte das neue Online-Banking von vornherein barrierefrei gestalten können, und es hätte trotzdem „chic“ ausgesehen. Diese Agenturen gibt es in Deutschland. Hier wurde jedoch offensichtlich eine Agentur gewählt, die dieses Know-How entweder nicht besitzt oder die Wichtigkeit einer inklusiven Vorgehensweise nicht herausgestellt hat. Initial wäre das Angebot vielleicht etwas teurer geworden. Aber das, was da jetzt betrieben werden muss, ist auf lange Sicht teurer:

Entweder lässt man den barrierefreien Zugang unbegrenzt(!) weiterlaufen und muss so immer zwei Angebote auf dem aktuellen Stand halten.

Oder man muss die Barrierefreiheit jetzt per Flickschusterei nachrüsten, also eine des Projektes einleiten, um irgendwann den barrierefreien Zugang abschalten und die Phase 2 des neuen, dann barrierefreien Zugangs, ersetzen zu können. Eine Phase 2 kostet immer mehr Geld als eine inkludierende Vorgehensweise gekostet hätte.

Bis zum Tag diesses Relaunches war die Sparda-Bank ein Vorbild an Barrierefreiheit, von dem sich so manch andere Bank in Deutschland mindestens eine dicke Scheibe hätte abschneiden können. Unter anderem deshalb habe ich die Sparda auch zu meiner hausbank erklärt.

Ich fordere die Verantwortlichen hiermit auf, zu dieser Vorbildfunktion zurückzukehren und dieses Onlinebanking-Portal barrierefrei gestalten zu lassen. Denn noch muss ich davon ausgehen, dass der von mir oben zitierte Satz von der Startseite ernstzunehmen ist und der Classic-Zugang tatsächlich nicht ewig bestehen bleibt. Und in diesem Moment wären diverse Kunden von der Teilhabe am Geschäftsleben über die Sparda-Bank ausgeschlossen!

P.S.: Während ich diesen Artikel schrieb, erhielt ich eine Antwort vom Service-Team mit dem Link zum Classic-Banking. Im Gegensatz zur oben zitierten Startseite war hier, wie auch in der zitierten Twitter-Antwort, nicht die Rede von einerzeitlichen Begrenzung.