Ausgelöst von diesem Review zweier früher Alben von Emerson, Lake & Palmer habe ich mir in den letzten Wochen ein paar Gedanken zu Remasters gerade älteren Materials gemacht, dass in den letzten Jahren wiederveröffentlicht wurde, und mir auch diverse Hörbeispiele angehört.

Unter Mastering versteht man das Erstellen des Materials von den fertig abgemischten Musikaufnahmen, das dann direkt auf die CD oder in digitale, von uns Konsumenten, herunterladbare Musikdateien umgewandelt wird. Mastering gibt es schon viel länger, z. B. auch für die Produktion von Langspielplatten wurden schon Masters verwendet, die die spezifischen Eigenschaften der Vinylscheiben berücksichtigten. Seitdem es die CD gibt, in diesem Jahr ziemlich genau 30 Jahre nämlich, gibt es auch digitale Masters.

Bis auf wenige Ausnahmen wurden sämtliche frühen CD-Veröffentlichungen von analogen Bändern gemastert. hierbei wurde auch aus verschiedensten Gründen nicht immer auf die sogenannten Mix-Down-Tapes, also die Stereo-Bänder mit dem fertig abgemischten Material, zurückgegriffen, sondern teilweise wurden die LP-Masters, Kopien dieser oder der Mix-Down-Tapes o. ä. verwendet. Dementsprechend verrauscht, verzerrt usw. klingen manche CD-Veröffentlichungen bekannter Alben. Die sämtliche erste Ausgabe des Katalogs der Beatles z. B. stammte von sehr minderwertigen Bändern. Es schrammelt, verzerrt und zischt, dass man sich wünscht, eine LP aufzulegen, die klangen nämlich viel besser.

Neue Produktionen wurden, auch wegen der noch wenig herrschenden Erfahrung, zwar digital aufgenommen und gemastert, aber die ersten digitalen Aufnahmen waren eher Experimente als ernstzunehmende Projekte. Ein Beispiel ist das Album Heartbreaker von Dionne Warwick, welches rauscht und muffelt, als hätte man eine schlecht kopierte Kassette im Recorder. Ein erstes gut gelungenes Beispiel ist das heute auch immer noch gern als Referenz herangezogene Album The Visitors von Abba, ihr letztes Studioalbum. Als Vorzeige-CD – sie war die erste CD, die bei Polydor Deutschland im September 1982 ausgeliefert wurde – war sie vollständig digital aufgenommen und gemastert. Die Qualität ist absolut spitzenmäßig.

Später, ab Mitte der 1990er Jahre, wurden dann erste echte digitale Remasters von älterem material angefertigt. Hierbei waren die Quellen häufig keine schon bestehenden Masterbänder, sondern oben erwähnte Mix-Down-Tapes oder andere gute Quellen aus den verschiedenen Stadien der Musikproduktion. Die Ergebnisse waren jedoch sehr unterschiedlich. Während das Remaster von Tina Turners 1984 erschienenem Album Private Dancer zu den besten frühen Remasters zählt, zählt der 1997 neu erschienene remasterte Katalog von Abba zu den schlimmsten Vertretern. Die Musikcharakteristik wurde durch zu starke Rauschunterdrückung, Dynamikkompression (also das Begrenzen von Lautstärkeschwankungen) und anderen Techniken komplett zerstört. 2001 erschien dieser Katalog noch einmal, und während zwar nicht mehr so viel Rauschunterdrückung stattfand, wurde die Dynamik weiter begrenzt. Andere Remasters wie die älteren Alben von Madonna oder den Pet Shop Boys wurden mit viel mehr Liebe zum Detail behandelt.

Seinen Höhepunkt erreichte der Remaster-Wahnsinn dann Mitte des letzten Jahrzehnts. „The Complete Studio Recordings“ von Abba sind wieder eines der schlimmsten Beispiele. Neben den bereits bestehenden Techniken wurde die Lautheit immer weiter erhöht, so dass für Dynamik noch weniger Raum blieb. Die Folge war, dass laute Passagen entweder total gedeckelt wurden, oder wo dies nicht gelang, schlicht übersteuerten. ja genau, so schrammelig wie bei alten übersteuerten kassettenaufnahmen! Ring Ring hat in den Drum-Breaks so viele Verzerrungen, dass das Anhören wirklich eine Zumutung ist! Wer sich für die Vergleiche der verschiedenen Abba-Ausgaben näher interessiert, dem sei dieser ausführliche Vergleich ans Herz gelegt.

Auch das 2007 erschienene Album „Greatest“ von den Bee Gees, das eine Wiederveröffentlichung mit Bonus-Tracks des 1979 erschienenen „Greatest Hits, Volume III“ ist, ist so dermaßen komprimiert, dass beim Beginn von Jive Talking die eigentlich leisen Gitarren-Rhythmen und die später lauter einsetzenden Bass und Schlagzeug gleich laut sind. Weitere Auswüchse des Loudness War (des Kriegs der Lautheiten) werden in diesem Wikipedia-Artikel beschrieben.

Die Kritik scheint zumindest bei einigen Toningenieuren und Musikindustriellen angekommen zu sein. Ich hatte, als im Frühjahr 2009 die Wiederveröffentlichung der kompletten Studioalben der Beatles angekündigt wurde, erst sehr große Vorbehalte. Ich wurde durch Reviews ermutigt und durch eigenes Reinhören sehr positiv überrascht. Die Ingenieure haben sich bei diesen aufwendigen digitalen Remasters tatsächlich sehr bemüht, und es ist ihnen meiner Meinung nach auch gelungen, den ursprünglichen Charakter des Materials einzufangen und zu bewahren. Später lernte ich auch die ebenfalls 2009 erschienenen „Epic Masters“ von Shakin‘ Stevens kennen, die mir auch sehr gut gefallen.

2011 erschien der komplette Katalog von Queen „digitally remastered“ und auf den Deluxe-Editionen mit Bonusmaterial versehen, neu. Auch hier gab es positive Reaktionen, und mein eigener Eindruck bestätigt, dass auch hier mit sehr viel Liebe zum Detail und zur musikalischen Originaltreue vorgegangen wurde.

Seit etwa einem Jahr gibt es auch das Programm Mastered For iTunes von Apple, das zum Ziel hat, die für die Wiedergabe von digitalen Dateien bestmögliche Klangqualität zu erzielen. Apple fordert die Musikverlage dazu auf, ihnen die originalen 24-Bit/96KHz-Masterdateien zur Umwandlung vorzulegen und keine bereits auf die CD (16Bit/44,1KHz) heruntergerechneten und -gesampleten Materialien, aus dem der weitaus größte Teil des iTunes-Katalogs besteht. Apple möchte die größere Dynamik, die mit 24Bit Tiefe möglich ist, nicht verlieren und verspricht sich und uns eine bessere Qualität als von CD-Materialien erstellten Digitalversionen.

Erst kürzlich erschien die 25th Aniversary Special Edition des Albums Bad von Michael Jackson eben als ein solches „Mastered For iTunes“-Album. Ich kenne das Album ziemlich gut. Ich kenne sowohl die alte MC- als auch die erste CD-Fassung. Die bisher erhältliche digitale Version ist sehr basslastig und klingt recht komprimiert. Diese neue Auflage des Albums liefert auf meiner nicht ganz schlechten Anlage ein solch ausgewogenes und transparentes Klangerlebnis, dass es mir mehrfach beim Hören die Sprache verschlug.

Neben vielen Neuveröffentlichungen wie den Alben Tracking Ball von Bruce Springsteen und der Deluxe Edition von Matchbox Twenty’s North ist u. a. der anscheinend komplette Katalog von Pink Floyd als Mastered For iTunes neu veröffentlicht worden. Auch einige alte Alben von Elton John wie „Goodbye Yellow Brick Road“ habe ich dort schon gesehen.

Und auch der eingangs erwähnte Blogbeitrag von Redaktion42 deutet meiner Meinung nach auf eine Trendwende hin, nämlich dass älteres Material, das schon aus Gründen der Haltbarkeit in ein permanentes digitales Format überführt werden muss, soll es nicht verloren gehen, wieder mit viel mehr Liebe zum Detail und zur auditiven Ausgewogenheit behandelt wird. Auch einige x-te Wiederveröffentlichungen von Abba deuten darauf hin, obwohl hier das Bild durchaus nicht einheitlich zu sein scheint.

Und nun meine Frage an die werte Leserschaft: Könnt ihr das bestätigen? Was sind eure Eindrücke? Gibt es vielleicht sogar jemanden, der sich gut mit der Musik von Pink Floyd auskennt und z. B. beurteilen kann, ob diese 2011 neu veröffentlichten Versionen der Alben an die Originale gut ranreichen, ob dieses Mastered For iTunes ihnen tatsächlich hilft o. ä.? Ich bin sehr auf eure Meinung gespannt und freue mich auf einen regen Austausch in den Kommentaren! Hierzu sei nur angemerkt: Geschmäcker sind verschieden, und jeder hat eine andere Lieblings-Band oder einen anderen Lieblings-Künstler! 😉

Also, los geht’s!