Ich hatte ja im letzten Jahr schon eine Warnung ausgesprochen, was den neuen WordPress-Editor, den Block-Editor AKA Gutenberg, und Barrierefreiheit angeht. Es hat sich etwas getan, aber noch nicht genug für den Produktiveinsatz, zumindest für die meisten.

Der Block-Editor ist in WordPress 5.0 ja standardmäßig enthalten. Er wird auch von allen Seiten von Automattic, der Firma hinter WordPress und den diversen angeschlossenen Diensten, beworben. Aber auch ein Jahr nach Erscheinen in WordPress 5.0 gibt es noch immer Handlungsbedarf im Bereich Barrierefreiheit.

Vor allem die Tastaturnavigation, obwohl verbessert, und die dynamisch sich anzeigenden oder versteckenden Symbolleisten sind noch immer schwierig mit Screen Readern zu bedienen. Dies betrifft in der Hauptsache den Editor selbst. Die obere Symbolleiste, die Seitenleiste mit den Dokument- oder Blockeinstellungen und das Panel zum Veröffentlichen eines Beitrags sind gut mit herkömmlichen Screen-Reader-Methoden zugänglich. Auch klappt in vielen Fällen inzwischen das Hin- und Her-Verschieben des Tastaturfokus beim Öffnen und Schließen von Popovern zuverlässiger.

Der Editor selbst ist aber, wie gesagt, immer noch schwierig und nichts für schwache Nerven. Symbolleisten, die nur unter bestimmten Bedingungen erscheinen, wie z. B. nur dann, wenn tatsächlich Text markiert ist, sind sehr gewöhnungsbedürftig und zumindest für meine Workflows nicht immer intuitiv passend. Auch die Tatsache, dass der virtuelle Cursor von z. B. NVDA Fokusänderungen im Browser bewirkt, die dann zu dynamischen Veränderungen führen können, können einen manchmal zur Weißglut treiben. Ich nutze Gutenberg inzwischen, auch für diesen Beitrag, weil ich am Ball bleiben und auch Fehler berichten will. Aber ich bin da auch nicht der Durchschnitt. Ich kenne mich zum einen mit Screen Readern sehr gut aus und bin zum anderen erfahren im Umgang mit unerwarteten Ereignissen, die durch eine nicht richtig implementierte Zugänglichkeit hervorgerufen werden. Das ist aber, wie gesagt, nichts für jeden Geschmack oder jedes Nervenkostüm. Für manche wird der Editor auch heute noch eine unüberwindbare Hürde darstellen.

Daher gilt weiter die dringende Empfehlung für die Mehrheit der mitbloggenden Blinden und Sehbehinderten: Nutzt weiter den Classic Editor. Der ist weiterhin verfügbar und wird auch so schnell noch nicht verschwinden. Dies geht auch in bei WordPress.com gehosteten Blogs immer noch einzustellen.

Die gute Nachricht zum Schluss: Es wird besser. Nach einer Überprüfung nach den Kriterien der Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.1, die vom WP Campus Ende 2018 in Auftrag gegeben und Ende April 2019 veröffentlicht wurde, ist der Zustand nicht nur im offiziellen GitHub-Repository dokumentiert, sondern es wurden auch schon Probleme behoben. Die verbesserte Tastaturnavigierbarkeit ist ein Zeugnis davon. Und gerade nach meinem am Mittwoch auf dem englischen Blog veröffentlichten Beitrag zum Zustand der Barrierefreiheit von Gutenberg haben einige gute Gespräche mit am Projekt beteiligten Entwicklern stattgefunden, die Anlass zu weiterem Optimismus geben.

Wenn ihr also selbst Gutenberg ausprobieren wollt, überlegt euch, eine Testinstallation aufzusetzen und damit zu spielen. Für die meisten dürfte er zur Zeit aber noch nichts für den produktiven Einsatz sein. Ich hoffe, in einem Jahr besseres zu berichten zu haben.

Und noch ein Tipp: Wer mehr über Gutenberg und die Blöcke erfahren möchte, sei herzlich auf die Gutenberg-Fibel von Jessica Lyschik verwiesen. Dies ist eine gut zugängliche Quelle für alle möglichen Infos rund um Gutenberg aus der Praxis.