Das Erwachen am Samstag, den 30.06.2012, war kein schönes für mich. Denn die erste Nachricht, die mir im Feed-Reader präsentiert wurde, war, dass Bundestag und Bundesrat dem Fiskalpakt und dem ESM-Vertrag zugestimmt haben. Beide Kammern stimmten diesen Werken des Wahnsinns mit einer deutlich erreichten Zweidrittelmehrheit zu.

„Werk des Wahnsinns?“ werden mich jetzt einige Leute fragen. Ja, ich stehe zu dieser Formulierung. Denn was dieses Vertragswerk nach meiner laienhaften Auffassung tut, und wozu unsere gewählten Volksvertreter ihre Zustimmung gaben, kann man nur als blanken Wahnsinn bezeichnen!

Hier wird das Hoheitsrecht des Parlaments aufgegeben, nämlich die Verwaltung des Staatshaushalts. Wenn ein anderer Staat meint, Deutschland verklagen zu müssen, weil es angeblich die Kriterien nicht erfüllt, und entsprechend nach Rhetorik eine qualifizierte Mehrheit der EU-Staaten hinter sich bringt, dann wird in den Haushalt eingegriffen.

Genauso bekommt eine Verwaltungsinstanz in Brüssel, nämlich der ESM, einen Freibrief, sich in für den Normalbürger unendlicher Höhe an deutschen Steuergeldern zu bedienen, ohne dass der Bundestag dem zustimmen muss. Kaum jemand kann sich vorstellen, wie viel Geld 190 Milliarden Euro (das ist die derzeit festgelegte Obergrenze) eigentlich sind.

Halten wir uns dies nochmals vor Augen: Eine nicht gewählte Verwaltungsinstanz darf sich Geld aus den Staatshaushalten der am ESM beteiligten Länder nehmen, um zum Beispiel eine Bank zu sanieren, die sich bei irgendwelchen Immobilien-Geschäften verzockt hat. Da sitzen also irgendwo irgendwelche neunmalklugen Finanzspekulateure rum, würfeln sich ein paar Modelle zusammen, bilden daraus eine Seifenblase, die natürlich platzt (denn das tun alle Seifenblasen), und dann weint die die Kredite tragende Bank ganz laut, der ESM schlürft ohne Zustimmung der Parlamente Gelder, um die armen, armen Spekulanten-Amateure auszuzahlen, nur damit diese ein halbes Jahr später ein neues Würfelspiel mit Seifenblasen spielen, diesmal vielleicht mit dem neuesten an die Börse gegangenen sozialen Netzwerk.

Nochmals: Der ESM ist eine nicht gewählte Behörde, die von einer nicht gewählten Behörde, nämlich der EU-Kommission, eingesetzt wird. Das EU-Parlament hat hier kein Mitspracherecht, wie es ja sowieso kaum was zu sagen hat, sondern lediglich ein Alibi-Parlament ist, das wir alle fünf Jahre gnädigerweise neu zusammenwürfeln dürfen.

Weiter: Die EU hat keine Verfassung. Diese wurde vor einigen Jahren erfolgreich von mehreren Ländern verhindert. Sowohl der Fiskalpakt als auch der ESM-Vertrag übertragen verfassungsmäßige Hoheitsgebiete, vom Grundgesetz geschützte Rechte von einem verfassungsmäßig gewählten Organ, nämlich dem jeweiligen Landesparlament, auf ein nicht gewähltes, von keiner Verfassung legitimiertes, Organ. Wenn ich mich nicht ganz täusche, gibt es in unserem Grundgesetz den Artikel 146, der besagt:

Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.

Ich wiederhole nochmals: Ich bin Laie, kein Jurist, würde mich aber durchaus als politisch informiert bezeichnen. Nach meiner Auffassung hat hier ein Abtritt mindestens eines im Grundgesetz verankerten Rechts stattgefunden, ohne dass das deutsche Volk in freier Entscheidung darüber befinden konnte. Weiterhin wurde dieses Recht an ein Organ abgetreten, das keiner Verfassung entspricht und von keiner Verfassung legitimiert ist.

Wenn es also darum geht, die Befindlichkeiten irgendwelcher Lobbyisten zu befriedigen, ist das von uns gewählte Parlament ohne zu zögern bereit, über Fraktionsgrenzen hinweg, das Grundgesetz mit Füßen zu treten und das in sie durch unsere Wählerstimme gesetzte Vertrauen zu missbrauchen. Von diesem Parlament, von der zur Zeit im Bundestag vertretenen Parteienlandschaft mit Ausnahme der Linken ist also nicht zu erwarten, dass sie bereit sind, das Grundgesetz, unser höchstes Gut, zu schützen.

Kommen wir nun zu den direkt nach Beschluss durch Bundestag und Bundesrat beim Bundesverfassungsgericht eingereichten Klagen. Sie sind immens wichtig und werden zeigen, ob das Bundesverfassungsgericht seiner Aufgabe nachkommt, das Grundgesetz und die Bevölkerung vor den Folgen dieser Entscheidung zu schützen. ich befürchte allerdings, dass die höchsten Bundesrichter, wie so oft in den letzten Jahren, nicht den Mumm haben werden, dem Wahnsinn, den diese Bundesregierung immer und immer wieder verbricht, diesmal Einhalt zu gebieten und eine Unverträglichkeit mit dem Grundgesetz festzustellen. Sie werden, so meine Befürchtung, der Krisenrhetorik von Merkel & Co. erliegen und das „Gesetz“ durchwinken und somit selbst zu Verrätern an unserem Grundgesetz werden.

Und wer schützt unser Grundgesetz dann noch? Wenn selbst die höchsten Richter im Staate nicht willens oder in der Lage sind, unsere Verfassung, denn nichts anderes ist das Grundgesetz ja faktisch, zu schützen? Müssen wir, muss das deutsche Volk, tatsächlich zum letzten Mittel greifen, das uns noch bleibt? Ich rede von Artikel 20, Absatz 4 des Grundgesetzes:

Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Da weder die großen Volksparteien noch die beiden momentan zur Regierungsbildung herangezogenen kleinen Parteien Willens sind, das Grundgesetz in gebührender Form zu achten und zu schützen, muss man sich ernsthaft die Frage stellen, ob Abhilfe überhaupt möglich ist. Denn egal wen man wählt, man würde immer wieder dieselben Verantwortungsträger bekommen, die nicht gewillt sind, dieses Chaos, das sich europäische Union nennt, auf eine vernünftige verfassungsmäßige Grundlage zu stellen, in Vereinbarkeit mit geltendem Recht. Stattdessen würde weiterhin Verfassungsbruch, sanktioniert von einem eingeschüchterten Bundesverfassungsgericht, betrieben werden.

Deutschland, dieser Bürger hat Angst vor dir!